Stolpersteine in Hameln

Namen und Schicksale

 

Max und Margarete Birnbaum und ihre Kinder Grete und Alfred –
Deisterstraße 45

 

Max Birnbaum

 

Max Birnbaum wurde am 11. August 1893 in Hannover Linden als einziges Kind der Eheleute Elias und Henrietta Birnbaum geboren. Um die Jahrhundertwende zog er mit seinen Eltern nach Hameln und wuchs in der elterlichen Wohnung Große Hofstraße auf.

Im Ersten Weltkrieg war Max Birnbaum als Kriegsfreiwilliger Soldat geworden und besaß aus dieser Zeit das Eiserne Kreuz. Max Birnbaum war gelernter Schlosser. Aus der Ehe mit Margarete Goldstein gingen zwei Kinder hervor, Grete und Alfred.

Zusammen mit seiner Frau baute er in der Deisterstraße 45 eine Eisenwarenhandlung auf. Wegen der anhaltenden Boykotte der Nationalsozialisten musste er das Geschäft 1937 aufgeben.

Im Anschluss an die Pogromnacht des 9. November 1938 wurde Max in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt und dort sechs Wochen lang festgehalten. Im Mai 1939 nahm die Hamelner Polizei die Eheleute wegen eines Devisenvergehens fest und brachte sie in Untersuchungshaft. Um ihre Auswanderung zu beschleunigen, hatten sich die Eheleute auf dem Schwarzen Markt Devisen beschafft. In der Haft nahm sich Margarete das Leben. Max wurde zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

Nach der Entlassung aus der Haft bemühte sich Max fieberhaft um die Auswanderung für seine Kinder und für sich. Doch alle Versuche scheiterten.

Seit Juni 1941 musste Max zusammen mit seiner Mutter auf Verlangen der Stadtverwaltung in eine kleine Wohnung des „Judenhauses“ Neue Marktstr. 13 ziehen. Von dort musste er täglich zur Zwangsarbeit in eine Papierwarenfabrik nach Rinteln fahren.

Max Birnbaum wurde am 31. März 1942 von Hameln über Hannover-Ahlem in das Ghetto Warschau deportiert. Im Ghetto Warschau hat Max Birnbaum laut Auskunft seiner Tochter Grete eine zweite Ehe mit Else Jonas geschlossen. Max Birnbaum gilt als verschollen. Zum Zeitpunkt seiner Deportation war er 48 Jahre alt.

 

Der Text des Stolpersteins für Max Birnbaum lautet:

HIER WOHNTE
MAX BIRNBAUM
JG. 1893
„SCHUTZHAFT“ 1938
BUCHENWALD
VERHAFTET 1939
„DEVISENVERGEHEN“
GEFÄNGNIS HAMELN
DEPORTIERT 1942
GHETTO WARSCHAU
ERMORDET

 

 
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Margarete Birnbaum

 

Margarete Birnbaum, geb. Goldstein, wurde am 4. März 1895 als Tochter der Eheleute Louis und Betty Goldstein geboren. Seit 1900 lebte sie in Hameln. Im Juni 1921 heiratete sie Max Birnbaum.

Die Eheleute hatten zwei Kinder, Grete und Alfred. Sie wohnten in der Deisterstraße 45 und unterhielten dort ein Eisenwarengeschäft. Margarete fungierte als Geschäftsführerin.

Im Anschluss an den 9. November 1938 wurde ihr Ehemann Max für einige Monate in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Nach der Entlassung musste das Ehepaar um jeden Preis auswandern. Im April 1939 verhaftete die Hamelner Polizei die Eheleute wegen eines Devisenvergehens. Um die Auswanderung zu beschleunigen, hatten sie sich ausländische Devisen auf dem Schwarzen Markt beschafft.

Am 21. Mai 1939 wurde Margarete in ihrer Zelle im Gerichtsgefängnis Am Zehnthof 2 tot aufgefunden. Sie hatte die Schande, im Gefängnis sitzen zu müssen, nicht ertragen und sich das Leben genommen. Zum Zeitpunkt ihres Todes war Margarete 44 Jahre alt.

 

Der Text des Stolpersteins für Margarete Birnbaum lautet:

HIER WOHNTE
MARGARETE
BIRNBAUM
GEB. GOLDSTEIN
JG. 1895
VERHAFTET 1939
„DEVISENVERGEHEN“
GEFÄNGNIS HAMELN
FLUCHT IN DEN TOD
21. 5. 1939

 

 
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Grete Birnbaum

 

Grete Birnbaum wurde als ältestes Kind der Eheleute Max und Margarete Birnbaum 1922 geboren. Als zuletzt einzige jüdische Schülerin auf dem Hamelner Lyzeum war sie starken Anfeindungen ausgesetzt. Im Dezember 1937 verließ sie im Alter von 15 Jahren Deutschland, um in ein zionistisches Ausbildungslager in die Niederlande zu gehen. Dort wollte sich Grete auf die Auswanderung nach Palästina vorbereiten.

Das letzte Mal sah Grete ihre Eltern 1938, als diese sie in den Niederlanden besuchten. Sie wollte sie zum Bleiben überreden. Doch der Vater lehnte ab.

Im Sommer 1939 erreichte sie nach einer abenteuerlichen Schiffsfahrt Palästina. Dort nannte sie sich Ruth, arbeitete in einem Kibbuz, gründete eine Familie und hieß nun Ruth Keret.

Durch Briefe erfuhr sie vom Scheitern der Auswanderungspläne ihres Vaters und von seiner Deportation in das Ghetto Warschau. Helfen konnte das junge Mädchen aus der Ferne nicht. Gewissheit über sein Schicksal erhielt sie erst nach Ende des Krieges.

 

Der Text des Stolpersteins für Grete Birnbaum lautet:

HIER WOHNTE
GRETE BIRNBAUM
VERH. RUTH KERET
JG. 1922
FLUCHT 1937
HOLLAND
1939 PALÄSTINA

 

 
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Alfred Birnbaum

Alfred Birnbaum wurde 1924 als jüngstes Kind der Eheleute Max und Margarete Birnbaum in Hameln geboren. 1937 hatte seine ältere Schwester Grete Hameln verlassen hatte, um sich in den Niederlanden auf die Auswanderung nach Palästina vorzubereiten. Im November 1938 wurde sein Vater für sechs schreckliche Wochen in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Im Mai 1939 musste Alfred erleben, dass seine Eltern in Hameln in Haft genommen wurden und sich seine Mutter dort das Leben nahm. Dann wurde er Zeuge des Scheiterns der Auswanderungsversuche seines Vaters.

Um seinen Sohn zu retten, schickte Max Birnbaum im Sommer 1939 den damals dreizehnjährigen Alfred mit einem Kindertransport nach England – wenige Wochen vor Kriegsausbruch. Alfred Birnbaum hat seinen Geburtsort Hameln nach dem Zweiten Weltkrieg nie wieder besucht.

 

Der Text des Stolpersteins für Alfred Birnbaum lautet:

HIER WOHNTE
ALFRED BIRNBAUM
JG. 1924
KINDERTRANSPORT 1939
ENGLAND

 

Texte: Bernhard Gelderblom

Sämtliche Fotos sind undatiert (um 1934/35) und entstammen aus der Sammlung Gelderblom.

 
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