Stolpersteine in Hameln

Namen und Schicksale

 

Eheleute Karl und Paula Bernstein – Münsterkirchhof 13

 

Karl Bernstein wurde am 13. November 1880 als Sohn der Eheleute Esther und Kusel Bernstein in Hameln geboren. Seine am 7. September 1883 geborene Ehefrau Paula entstammte der angesehenen jüdischen Kaufmannsfamilie Lion aus Obernkirchen. Die Ehe blieb kinderlos. Den Ersten Weltkrieg machte Karl Bernstein vom ersten bis zum letzten Tage als Soldat mit.

Trotz der Boykotte der Nationalsozialisten hielt Karl Bernstein sein Geschäft bis 1938 geöffnet. Unter dem Eindruck der scharfen antijüdischen Maßnahmen von Partei und Stadtverwaltung planten die Eheleute seit Mai 1938 ihre Flucht. Um die „Abwanderung jüdischen Vermögens ins Ausland“ zu verhindern, mussten sie eine „Sicherungshypothek“ in Höhe von 57.000 RM stellen.

Vor der „Auswanderung“ galt es, Haus und Geschäft zu verkaufen. Am 5. November 1938 unterzeichneten Karl Bernstein und Felix Holtmann einen Vertrag, wonach Geschäft und Grundstück für 190.000 RM den Besitzer wechseln sollten.

In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde Karl Bernstein verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Bis zum März 1939 blieb Karl Bernstein in dem furchtbaren Lager.

Am 16. Dezember 1938 erließ der Oberfinanzpräsident in Hannover eine „Sicherungsanordnung nach § 37 des Devisengesetzes“. Das bedeutete eine Sperrung aller Konten der Eheleute. Geld zum Lebensunterhalt erhielt das Ehepaar nur noch auf Nachfrage und oft mit mehrwöchiger Verspätung.

Um aus dem Konzentrationslager entlassen zu werden, hatte Karl Bernstein versprechen müssen, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen. Aber es gab in dieser Zeit kaum noch Länder, die bereit waren, Juden aus Deutschland aufzunehmen.

Wegen der Plünderung und anschließenden Liquidation des Geschäftes kam der Verkauf an Holtmann nicht zustande. Als neue Käufer fand Bernstein im März 1939 eine Interessengemeinschaft von sieben Hamelner Kaufleuten. Statt ursprünglich 190.000 erlöste er nur noch 95.000 RM, die er auf ein Sperrkonto zahlen musste.

In den nächsten Monaten folgte eine teilweise nur fadenscheinig gesetzlich bemäntelte Ausplünderung des Vermögens der Eheleute in Höhe von gut 220.000 RM. Sie mussten die sog. „Sühneleistung“ in Höhe von 34.000 RM bezahlen. Sie war den Juden für ihre „feindliche Haltung gegenüber dem deutschen Volk“ – so die Nazi-Propaganda – nach dem 9. November 1938 auferlegt worden.

Weil Karl Bernstein in zwei Briefen an die Hamelner Kriminalpolizei versäumt hatte, den diskriminierenden Vornamen „Israel“ zu benutzen – wie es die NS-Gesetzgebung vorschrieb –, wurde er im Juni 1939 zu einer Gefängnisstrafe von zehn Tagen und 200 RM Geldstrafe verurteilt. Bernstein habe „die klare Trennung zwischen Judentum und deutschblütigen Menschen nicht beachtet“, so das lokale NS-Blatt NTZ Weserbergland vom 7. Juni 1939.

Durch das Gerichtsverfahren und den Gefängnisaufenthalt hatten die Eheleute wertvolle Zeit verloren. Erst im August 1939 standen Bernsteins auf einer Liste des Konsulats von Chile, die zum Bezug eines Einreisevisums berechtigte. Der 59jährige Karl Bernstein plante, sich in Chile eine neue Existenz als „Kleinlandwirt“ aufzubauen.

Zu diesem Zeitpunkt verfügten Bernsteins noch über 140.000 RM. Für die Ausreise waren weitere Zahlungen nötig. Nach Abzug der „Reichsfluchtsteuer“ in Höhe von 34.500 RM, den Zahlungen für Pässe, Verpackung und Beförderung des Umzugsgutes sowie für die Schiffspassagen war das Vermögen auf 82.000 RM geschrumpft.

Im Oktober 1939 standen die Vorbereitungen für die „Auswanderung“ kurz vor dem Abschluss. Am 23. November reichten Bernsteins den zwölfseitigen Antrag auf Mitnahme von Umzugsgut bei der Devisenstelle Hannover ein. Selbst die Notwendigkeit zur Mitnahme ihrer Brillen musste durch einen Augenarzt bestätigt werden. Für ihr Umzugsgut mussten sie eine „Ausgleichsabgabe“ in Höhe von 1.863 RM abführen.

Im November 1939 überwies ein Geldinstitut im Auftrag von Bernsteins das Geld für zwei Schiffspassagen 3. Klasse von Genua nach Valparaíso. Die Abfahrt war für den 16. Dezember angesetzt. Im Dezember 1939 verhängte Chile wegen des Kriegsbeginns in Europa eine Einwanderungssperre. Die Ausreise der Eheleute scheiterte um wenige Tage.

Karl und Paula Bernstein gelang die Flucht aus Deutschland nicht mehr. Beide wurden am 15. August 1942 von ihrem letzten Wohnsitz in Berlin-Charlottenburg ins Ghetto Riga deportiert. Als Todestag gilt für beide der 18. August 1942.

Auf dem Konto der Kreissparkasse Hameln blieb ein Restguthaben von 26.860 RM. Nach der Deportation der Eheleute beschlagnahmte das Finanzamt den Betrag als „feindliches Vermögen“.

 

Der Text des Stolpersteins für Karl Bernstein lautet:

HIER WOHNTE
KARL BERNSTEIN
JG. 1880
„SCHUTZHAFT“ 1938
BUCHENWALD
UNFREIWILLIG VERZOGEN
1939 KÖLN
DEPORTIERT 1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942

 

Der Text des Stolpersteins für Paula Bernstein lautet:

HIER WOHNTE
PAULA BERNSTEIN
GEB. LION
JG. 1883
UNFREIWILLIG VERZOGEN
1939 DÜSSELDORF
DEPORTIERT 1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942

 
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