Stolpersteine in Hameln

Namen und Schicksale

 

Familie Jonas – Baustraße 16

 

Albert und Bertha Jonas

Albert Jonas wurde am 18. Oktober 1871 in Tündern bei Hameln geboren. Er war mit Bertha Rothenberg, geboren am 26. April 1873 in Stadtoldendorf, verheiratet. Die Eheleute hatten drei Kinder, Else, Arthur und Anneliese.

Albert Jonas war Viehhändler. Seit 1900 lebte er mit seiner Familie in Hameln, anfangs in der Wendenstraße 10, seit 1929 in der Baustraße 16.

Wegen der scharfen NS-Boykotte gegen jüdische Viehhändler musste Albert Jonas die Geschäfte mit den Bauern heimlich abwickeln. 1934 sah er sich gezwungen, das Haus zu verkaufen. Wenig später musste er seinen Viehhandel aufgeben.

Am 9. November 1938 nahm die Hamelner Polizei Albert Jonas zusammen mit seinem Sohn Arthur und anderen jüdischen Männern in „Schutzhaft“. Beide wurden in das KZ Buchenwald verschleppt, wo sie über Wochen gepeinigt wurden.

Wenige Monate nach Alberts Rückkehr aus dem furchtbaren Lager wies die Stadtverwaltung die Familie im Sommer 1939 in das „Judenhaus“ Neue Marktstraße 13 ein. Hier musste sie auf engstem Raum leben, bald auch zusammen mit Alberts Schwester Emilie aus Tündern.

Zahlreiche Verbote und Sonderregelungen trafen damals die jüdischen Hamelner. Sie durften die Stadt nicht mehr verlassen, kein Radio besitzen, keine Zeitung beziehen und keinen Telefonanschluss haben; sie durften nur während einer Stunde am Tag einkaufen und mussten den Judenstern tragen. Gleichzeitig verhielten sich nichtjüdische Nachbarn immer feindseliger.

Im März 1942 mussten Bertha und Albert Jonas erleben, wie ihre Tochter Else an einen unbekannten Ort im Osten deportiert wurde. Else war ihren alten und kranken Eltern eine wichtige Stütze gewesen.

Am 23. Juli 1942 wurde Albert Jonas zusammen mit seiner Ehefrau Bertha und seiner Schwester Emilie in das „Altersghetto“ Theresienstadt deportiert.

Albert Jonas starb dort wenige Tage nach seiner Einlieferung am 13. August 1942 im Alter von 70 Jahren.

Nachdem Bertha Jonas noch zwei Jahre in dem schrecklichen Lager gelebt hatte, starb sie dort am 25. Juli 1944 im Alter von 71 Jahren.

 

Der Text des Stolpersteins für Albert Jonas lautet:

HIER WOHNTE
ALBERT JONAS
JG. 1871
„SCHUTZHAFT“ 1938
BUCHENWALD
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
TOT 13.8.1942

 

Der Text des Stolpersteins für Bertha Jonas lautet:

HIER WOHNTE
BERTHA JONAS
GEB. ROTHENBERG
JG. 1873
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
TOT 25.7.1944

 

Else Jonas

 

Else Jonas wurde am 17. September 1900 als ältestes Kind von Albert und Bertha Jonas in Hameln geboren.

Nach dem Besuch der damaligen Mittelschule in der Lohstraße ergriff sie einen kaufmännischen Beruf.

Im Dritten Reich verlor sie als Jüdin ihren Arbeitsplatz. Seit Mai 1939 arbeitete sie zusammen mit ihrer Schwester Anneliese ohne Lohn in einem jüdischen Altersheim in Hannover, um wenigstens Essen und eine Unterkunft zu haben.

Gemeinsam mit Anneliese hatte sie ein Visum zur Einreise nach England. Die kurz bevorstehende Auswanderung verhinderte Hitlers Überfall auf Polen, der den Zweiten Weltkrieg auslöste. Das jähe Scheitern ihres Fluchtplans traf die Schwestern tief.

Seit 1939 musste Else Jonas zusammen mit ihren hilfsbedürftigen Eltern im „Judenhaus“ Neue Marktstraße leben.

Am 31. März 1942 wurde sie zusammen mit zwölf weiteren Hamelner Juden in das Ghetto Warschau deportiert. In den ersten Wochen konnte sie noch Briefe nach Hameln schreiben, in denen sie von den schlimmen Lebensumständen berichtete.

Im Ghetto Warschau heiratete sie Max Birnbaum, der mit ihr aus Hameln deportiert worden war. Am 12. August 1942 wurde Else Jonas von ihrem Mann getrennt und an einen unbekannten Ort verschleppt, wahrscheinlich in das Vernichtungslager Treblinka. Dort wurden die Menschen sofort nach ihrer Ankunft ermordet. Zum Zeitpunkt ihrer Deportation war Else Jonas 41 Jahre alt.

 

Der Text des Stolpersteins für Else Jonas lautet:

HIER WOHNTE
ELSE JONAS
VERH. BIRNBAUM
JG. 1900
DEPORTIERT 1942
WARSCHAU
ERMORDET

 

Arthur Jonas

 

Arthur Jonas wurde am 5. August 1905 als zweitältestes Kind von Albert und Bertha Jonas in Hameln geboren. Er trat früh in das Viehhandelsgeschäft seines Vaters ein.

Weil das Geschäft von den Nationalsozialisten boykottiert wurde, suchte sich Arthur eine Arbeit als Vertreter für Landmaschinen, litt aber auch hier unter Diskriminierungen.

Zusammen mit seinem Vater wurde er am 9. November 1938 in das KZ Buchenwald verschleppt. Arthur musste drei Monate in dem furchtbaren Lager bleiben. Entlassen wurde er mit schweren körperlichen Schäden und unter der Bedingung, Deutschland innerhalb von sechs Wochen zu verlassen.

Die Flucht nach England gelang am 5. Juni 1939. Dort kam Arthur Jonas in ein Lager, das unter Militäraufsicht stand. Um etwas gegen Hitler tun zu können, meldete er sich freiwillig zur britischen Armee.

Mit seinen in Deutschland zurückgebliebenen Angehörigen konnte Arthur über Briefe Kontakt halten, welche das Internationale Rote Kreuz beförderte. Diese Briefe unterlagen der Zensur und hatten eine Laufzeit von bis zu 6 Monaten. Aus Andeutungen konnte er erahnen, dass seine Eltern und Schwestern deportiert worden waren.

Nach Kriegsende, im August 1945, hielt sich Arthur Jonas für vier Tage in Hameln auf und erfuhr, dass alle seine Angehörigen ermordet worden waren. Seine schlimmsten Ahnungen wurden bestätigt.

An seine Frau Anni schrieb er:

Ja, meine Liebe, das ist das Ende und die bittere, bittere Wahrheit. Nun ist alles wahr geworden, was wir so sehr gefürchtet haben.

Mit seiner Frau Anni hatte Arthur zwei Kinder, Frank und Ruth, die in England bzw. Irland leben. Beide waren bei der Stolpersteinverlegung für ihre Angehörigen anwesend.

 

Der Text des Stolpersteins für Arthur Jonas lautet:

HIER WOHNTE
ARTHUR JONAS
JG. 1905
„SCHUTZHAFT“ 1938
BUCHENWALD
FLUCHT 1939
ENGLAND
ÜBERLEBT

 

Anneliese Jonas

 

Anneliese wurde am 5. Juni 1908 als jüngste Tochter von Albert und Bertha Jonas in Hameln geboren. Bis 1939 lebte sie bei ihren Eltern in der Baustraße.

Als Chefsekretärin einer Hamelner Teppichfabrik entlassen, war sie in ihrer Not gezwungen, verschiedene Stellen als Haushaltshilfe anzunehmen, um ihren Lebensunterhalt fristen zu können.

Als sie in Hameln keine Arbeit mehr fand, zog die junge Frau 1939 nach Bielefeld, um als Sekretärin der jüdischen Gemeinde zu arbeiten.

Anneliese stellte die Sorge für ihre Eltern über alles. Deswegen schlug sie mehrere Heiratsangebote aus, die ihr die Auswanderung ermöglicht hätten.

1942 musste sie erleben, wie zuerst ihre Schwester, sodann ihre Eltern deportiert wurden. Sie selbst blieb ohne Angehörige zurück.

Mit dem letzten Transport Bielefelder Juden wurde sie selbst am 28. Juni 1943 in das Ghetto Theresienstadt deportiert.

Vier Monate später – am 5. Oktober 1943 – wurde sie von Theresienstadt in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt. Um jüdische Waisenkinder auf ihrem Weg in die Vernichtung zu begleiten, hatte sie sich selbst zu diesem Transport gemeldet.

Zusammen mit den Kindern wurde Anneliese Jonas – sie war damals 35 Jahre alt – sofort nach ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet.

 

Der Text des Stolpersteins für Anneliese Jonas lautet:

HIER WOHNTE
ANNELIESE JONAS
JG. 1908
UNFREIWILLIG VERZOGEN
1939 BIELEFELD
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

 
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