Stolpersteine in Hameln

Namen und Schicksale

 

Familie Frankenstein – Neue Marktstraße 13

 

Selma Frankenstein

 

Selma Frankenstein wurde am 4. März 1869 in Barntrup geboren. Um die Jahrhundertwende kam die unverheiratete Frau zusammen mit der Familie ihres Bruders Max nach Hameln. Max Frankenstein betrieb in dem großen Hauskomplex Neue Marktstraße 13/Hummenstraße 1 einen Getreidehandel.

Nach dem frühen Tode des Bruders im Jahre 1923 und der Aufgabe des Getreidegeschäftes lebte Selma von den Mieteinkünften aus den beiden Häusern.

Im Sommer 1939 erklärte die Stadtverwaltung ihr Haus zum „Judenhaus“. Selma Frankenstein musste auf Weisung der Stadtverwaltung Mietverträge mit den jüdischen Hamelnern abschließen, denen die Stadtverwaltung eine Wohnung in ihrem Hause zugewiesen hatte.

Die dreiundsiebzigjährige Frau wurde am 23. Juli 1942 von Hameln über Hannover-Ahlem in das „Altersghetto“ Theresienstadt deportiert. Von Theresienstadt aus wurde sie am 23. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt und dort ermordet.

 

Der Text des Stolpersteins für Selma Frankenstein lautet:

HIER WOHNTE
SELMA
FRANKENSTEIN
JG. 1869
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

 

Emilie Frankenstein

 

Die Eheleute Max (1860-1923) und Emilie Frankenstein (1870-1965) hatten drei Kinder, die 1906 geborene Charlotte, die 1909 geborene Ilse und den 1911 zur Welt gekommenen Werner.

Nach dem frühen Tod des Ehemanns Max, der in dem Hauskomplex Neue Marktstraße 13/Hummenstraße 1 einen Getreidehandel betrieben hatte, teilte seine Witwe Emilie das große Haus in Wohnungen auf. Die Familie lebte nun von den Mieteinnahmen.

Im Sommer 1939 musste die Familie erleben, dass die Hamelner Stadtverwaltung das Haus zum „Judenhaus“ erklärte.

Sohn Werner floh 1933 nach Palästina, Tochter Ilse 1938 in die USA. Mit allen Mitteln versuchte Ilse, ihre Mutter Emilie und ihre Schwester Charlotte in die USA nachzuholen. Buchstäblich in letzter Minute – im August 1941 – gelang es den beiden Frauen, im Hafen von Marseille ein Schiff zu besteigen, das sie nach New York brachte.

 

Der Text des Stolpersteins für Emilie Frankenstein lautet:

HIER WOHNTE
EMILIE
FRANKENSTEIN
GEB. HESS
JG. 1870
FLUCHT 1941
USA

 

Charlotte Frankenstein

Charlotte Frankenstein (geb. 1906) floh zusammen mit ihrer Mutter Emilie im August 1941 auf einem der letzten Schiffe, die Marseille in Richtung USA verlassen durften, aus Hitlers Machtbereich.

 

Der Text des Stolpersteins für Charlotte Frankenstein lautet:

HIER WOHNTE
CHARLOTTE
FRANKENSTEIN
JG. 1906
FLUCHT 1941
USA

 

Ilse Frankenstein, verheiratete Sander

Ilse Frankenstein (geb. 1909), verheiratete Sander, gelang 1938 zusammen mit ihrem Mann und Sohn die Ausreise in die USA.

 

Der Text des Stolpersteins für Ilse Frankenstein, verh. Sander, lautet:

HIER WOHNTE
ILSE
FRANKENSTEIN
VERH. SANDER
JG. 1909
FLUCHT 1938
USA

 

Werner Frankenstein

 

Werner Frankenstein wurde am 27. August 1911 in der Neue Marktstraße 13 in Hameln geboren. Sein Vater Max starb früh. Seine Mutter Emilie zog ihn zusammen mit zwei älteren Schwestern, Charlotte und Ilse, auf.

Werner besuchte das Hamelner Gymnasium für Jungen, das heutige Schiller-Gymnasium. Aus dieser Zeit – den 1920er Jahren – erinnerte er sich an freundschaftliche Beziehungen, aber auch an üble Beleidigungen. Einmal habe ein Mitschüler ihm, dem „dreckigen Juden“, ein Stück Seife schenken wollen.

Im Alter von 15 Jahren musste er verließ er die Schule vorzeitig, um bei der Teppichfabrik „oka“ eine dreijährige Lehre als Schlosser zu absolvieren. Nach einem Studienjahr in Textiltechnik stellte ihn die „oka“ als Abteilungsleiter ein. Zu Albert Blank, einem der beiden (jüdischen) Eigentümer, hatte er ein enges Verhältnis.

Werner Frankenstein war Zionist. Wenig verband den jungen Mann mit Deutschland, in dem der Antisemitismus so stark zugenommen hatte. Der unmittelbare Anlass, Deutschland zu verlassen, war seine Festnahme wegen „Führerbeleidigung“ am 31. März 1933 und ein Aufenthalt im Hamelner Gefängnis. Er kam zwar nach wenigen Tagen frei; aber der Entschluss zur sofortigen Auswanderung stand fest.

Weil er ein Handwerk gelernt hatte, gelang es dem jungen Mann vergleichsweise leicht, ein Visum für Palästina zu bekommen. Am 22. Mai 1933 ging er in Jaffa an Land.

Nun galt es für „Israel Paran“, wie er sich jetzt nannte, ein ganz neues Leben zu beginnen.

Im Januar 1941 meldete er sich zur jüdischen Brigade der britischen Armee, um sich am Kampf gegen Nazi-Deutschland zu beteiligen. Nach dem Krieg half er Überlebenden aus den Konzentrationslagern.

Er besuchte auch die Stadt, die er zwölf Jahre zuvor hatte verlassen müssen. Er fand das Haus, in dem er geboren war; Nachbarn erkannten ihn, und er erkannte sie. Er besuchte den zerstörten Friedhof und fand den Grabstein seines Vaters zertrümmert. An der Stelle der Synagoge sah er einen Gemüsegarten.

Sein Eindruck von den Deutschen war: Keiner habe etwas getan, niemand etwas gewusst.

Israel Paran starb 1999 im Alter von 88 Jahren in seiner neuen Heimat Israel.

 

Der Text des Stolpersteins für Werner Frankenstein lautet:

HIER WOHNTE
WERNER
FRANKENSTEIN
JG. 1911
IM WIDERSTAND
„SCHUTZHAFT“ 1933
GEFÄNGNIS HAMELN
FLUCHT 1933
PALÄSTINA

 
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